Das Café ABdate ist seit einem Vierteljahrhundert die Anlaufstelle für junge Menschen, Eltern und Pädagogen, ein bedeutender Baustein der Beratungs- und Förderangebote unserer Heimat. Im Oktober wird mit einer groß angelegten Eventreihe das Jubiläumgefeiert. Und FRIZZ Das Magazin hätte da natürlich auch noch ein paar Fragen …
Wenn Jugendliche und junge Erwachsene in Aschaffenburg mit Fragestellungen zu ihrer Zukunft konfrontiert werden, gibt es bereits seit einem Vierteljahrhundert eine passende Anlaufstelle: Das Café ABdate im JUKUZ. Von der Ausbildungsplatzsuche über Auslandsaufenthalte, soziales Engagement, Bewerbungsverfahren bis zum richtigen Verhalten in der Welt der sozialen Medien – zu allem, was die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen betrifft, steht die Einrichtung mit Rat, Tat, Infomaterial, Events, Workshops und Vortragsreihen zur Seite. Und natürlich – am wichtigsten – mit persönlicher Beratung. Sigrid Ehrmann und Anke Lang heißen die Macherinnen hinter dem Café ABdate. Sie sind die Ansprechpartnerinnen für das junge Klientel, aber auch für Eltern und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen und in der Jugendarbeit. Mit ihnen hat FRIZZ Das Magazin über die vergangenen und die nächsten 25 Jahre gesprochen.

1996: Spatenstich zur Aschaffenburger Jugendiformationsstelle
FRIZZ Das Magazin: 25 Jahre Café ABdate – herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Jubiläum. Erzählt doch mal ein bisschen aus den Anfangstagen! Woher kam die Initiative, wie war das Team aufgestellt, was waren die ursprünglichen Ziele?
Die Entstehung und Entwicklung der Jugendinformation in Deutschland hängt eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen. Ende der 60er-Jahre wurden Jugendliche vor allem wegen ausufernder Konflikte mit der Elterngeneration als eigenständige Zielgruppe der Jugendarbeit „entdeckt“. Um Jugendlichen gesellschaftlichen Teilhabe zu ermöglichen brauchen sie Informationen. Nur so können junge Menschen eigenständige Entscheidungen treffen. So entstand 1967 in München das erste deutsche Jugendinformationszentrums das Jugendlichen breit gefächerte Informationen zur Verfügung stellte. In Aschaffenburg wurde, mit Planung des neu zu errichtenden JUKUZ, sehr schnell die Idee geboren, den Stadtjugendring als Träger für ein Info-Café vorzusehen.
Schon bald wurde im Stadtjugendring ein Arbeitskreis gegründet mit den Jugendverbänden, der die Aufgabe hatte, ein Konzept für das Info-Café im JUKUZ zu erarbeiten. Von mehreren Besuchen in bereits bestehenden süddeutschen Jugendinformationsstellen brachte die Konzeptionsgruppe viele Ideen für die geplante Aschaffenburger Einrichtung mit. Die Grundsätze der ersten Konzeption wie Kostenfreiheit, Niedrigschwelligkeit, Vertraulichkeit bis hin zur Anonymität wenn gewünscht, aktuelle und geprüfte Informationen und Unabhängigkeit waren und sind bis heute geblieben. Und so öffneten am 1.10.1996 das Café ABdate und das -JUKUZ erstmals ihre Türen.
Eine Jugendinformations- und Medienfachstelle muss am Puls der Zeit bleiben und seine Angebotspalette stetig anpassen. Inwieweit hat sich der Angebotsumfang des Café ABdate im Laufe der Jahre gewandelt?
In der Tat ist der stete Wandel auch das spannende an unserer Stelle. Als der Zivildienst 2011 abgeschafft wurde, kamen andere Formen des Übergangs- und Orientierungsjahrs in den Blickpunkt. Die Möglichkeiten eines Bundesfreiwilligenjahres oder eines Freiwilligen Sozialen Jahres wurden interessanter und wir boten direkt Beratung und Infoabende dazu an. Oder auch die Einführung von G8 in Bayern: Die Schüler waren nun nach zwölf Jahren fertig mit der Schule und hatten ihr Abitur in der Tasche. Viele Jugendliche wollten aber nicht sofort in einer Ausbildung oder einem Studium weiterlernen, sie suchten nach Möglichkeiten für ein Übergangsjahr in In- und Ausland. Wir führten unsere Auslandssprechstunde ein, die individuelle Beratung ermöglicht. Auch unsere Medienarbeit hat sich in den letzten 25 Jahren extrem verändert. In den 90er-Jahren hatten die wenigsten Familien einen eigenen Internetzugang, so waren unsere Internet PCs der Renner bei Jugendlichen. Sie nutzten unsere PCs, um Informationen im Netz zu finden, mit anderen zu chatten und die ersten Sozialen Netzwerke wie SchülerVZ, zu nutzen. Mit der preiswerteren Internetverfügbarkeit können heute nahezu alle jungen Menschen auf die unterschiedlichen Netzangebote via Smartphone zugreifen, dies ist zu einer weiteren Kulturtechnik wie Lesen und Schreiben geworden. Ziel unserer medienpädagogischen Arbeit ist es, durch passende Angebote Jugendliche dazu zu befähigen sich digital sicher zu bewegen. Seit 2009 bietet das Café ABdate Präventions-Workshops für Schüler an, die je nach Alter vom „Umgang mit privaten Daten“ oder zum Thema „Cybermobbing“ durchgeführt werden. In den letzten Jahren wurde sichtbar, dass Erziehende zunehmend mit der rasanten Entwicklung der Medien überfordert sind und Beratungsbedarf haben. Es entstehen Konflikte in den Familien, die ihren Ausgangspunkt, oftmals bei der Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen haben. So entwickelten wir Beratungsangebote und Informationsabende für Eltern. Auch pädagogische Fachkräfte haben viele Berührungspunkte zu digitalen Medien. Neue Geräte und Apps werden in immer kürzeren Abständen auf den Markt gebracht. Kaum haben sich Pädagog:innen in ein Thema eingefunden, sind Kinder und Jugendliche auf einer anderen Plattform „unterwegs“. War es 2015 noch wichtig zu wissen, wie Facebook mit Daten umgeht, ist es 2021 TIK TOK, die PädagogInnen vor neue Herausforderungen stellt. Mit regelmäßigen Fortbildungen unterstützen wir Erziehende dabei.

Café ABdate: „Ausstellungen“
Welche Themen-Schwerpunkte bestimmen eure tägliche Arbeit?
Es gibt Themen, die sich durch das ganze Jahr ziehen, andere sind eher „saisonabhängig“. Schriftliche Bewerbungen werden bei uns immer geschrieben, da Jugendlicher häufig nicht über einen eigenen Drucker verfügt und wir Unterstützung beim Verfassen der Bewerbung anbieten. Medienangebote für Schülerinnen und Schüler, Beratungstermine für Eltern und Pädagogen rund ums Thema Medien sind auch ein ganzjährig nachgefragtes Thema. Von Februar bis August sind die vielen Möglichkeiten nach dem Schulabschluss besonders wichtig. Ein Freiwilligendienst im In- und Ausland ist für viele Jugendliche eine Option.
Gibt es vergleichbare Angebote in anderen Städten oder seht ihr euch in der Gesamtheit eures Angebotes in einer überregionalen Vorreiterrolle?
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Jugendliche einen hohen Informationsbedarf haben und die Dienste der Jugendinformation einen wichtigen Beitrag zur Orientierung und Verselbstständigung des individuellen Lebensentwurfes leisten. Das Besondere an Jugendinformationsstellen wie dem Café ABdate ist, dass sie für alle Fragestellungen der Jugendlichen bereitstehen und sich nicht ausschließlich auf einen Bereich spezialisieren. In Bayern gibt es Jugendinformationsstellen nur in München, Augsburg und Nürnberg, allesamt also deutlich größere Städte wie Aschaffenburg. In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Frankreich und Finnland gibt es Jugendinformationsstellen in allen Orten und Städten quer durchs Land, um Jugendlichen Beratung zu ermöglichen.
Was schätzt ihr, wie vielen jungen Menschen habt ihr in den letzten 25 Jahren zur Seite stehen und helfen können?
Statistik ist immer eine schwierige Sache. Die reinen Zahlen zu Kontakten und Beratungen sagen nicht immer viel aus. Eine kurze telefonische Anfrage zum FSJ gibt es bei uns genauso wie die Schülerin die über Monate hinweg, immer wieder zur Auslandsberatung kommt, um ihren Traum vom Auslandsaufenthalt zu verwirklichen und wir sie bei diesem Entscheidungsprozess begleiten. Eine Zahl die im Vor-Coronajahr 2019 interessant war: Wir haben mit unseren Medienangeboten wie Beratung, Workshop und Elternabend etwa 1.600 Menschen erreicht.
Welche Begegnungen/Geschichten aus den letzten 25 Jahren werdet ihr nie vergessen?
„Ich bin wie ein Rohdiamant – ich muss nur noch geschliffen werden!“ Mit dieser selbstbewussten Aussage kam ein Besucher zu Anke ins ABdate, mit der Annahme, diese charmante Selbstbeschreibung würde ausreichen, damit wir ihm seine Bewerbung schreiben. Am Ende des Beratungsprozesses konnte er eine Bewerbung vorweisen, die ihm eine Einladung zum Bewerbungsgespräch verschaffte und schließlich sogar zu einem Ausbildungsplatz führte. Diese Bewerbung hat er nicht, wie erhofft, vorgefertigt bekommen, sondern durch unsere Hilfestellung selbst erstellt. Ein Beratungsprozess der länger dauerte als der Jugendliche zuerst annahm, der jedoch für ihn gewinnbringend war. Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig es ist, junge Menschen in ihren eignen Fähigkeiten zu bestärken und ihnen mit Hilfe zur Selbsthilfe zu persönlichen Erfolgen zu verhelfen. Schön sind auch immer ehemalige Besucherinnen und Besucher, die nach vielen Jahren mit der Frage ins ABdate kommen „Siggi,, kennst du mich noch?“ und dann für sich oder ihre Kinder etwas nachfragen oder ausdrucken wollen.
Welche Ziele wollt ihr mit dem Café ABdate in absehbarer Zeit unbedingt erreichen?
Nicht erst in der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie wichtig die Vernetzung und Kooperation im pädagogischen Arbeitsfeld ist. Akteure der sozialen Arbeit zu vernetzen und Kooperationen anzustoßen ist für das ABdate Team stets eine gewinnbringende Arbeitsweise. Vernetzung bietet nicht nur die Chance des kollegialen Erfahrungsaustausches, sie erweitert auch den eigenen Blick zum Nutzen der Zielgruppen. So möchten wir, da wo es sinnvoll ist, weiterhin Menschen und Themen zusammenbringen. Nach 25 Jahre Beratungsarbeit in den Räumlichkeiten des JUKUZ sind wir mittlerweile an Grenzen angekommen. Beratungen finden, mangels weiterer Räume, im offenen Betrieb statt, was weder dem Datenschutz noch einer ungestörten Gesprächsatmosphäre gerecht wird. Hier gilt es nach Lösungen zu suchen um allen Ansprüchen einer Arbeits- und Beratungssituation gerecht zu werden.
Vielen Dank für das interessante Gespräch. FRIZZ wünscht tolle Jubiläumsfeierlichkeiten!
Jubiläumsprogramm:
- Di., 5.10., 17 Uhr: Vernissage: Spektralfarben – Künstlerkinder stellen aus
- Do., 7.10., 10 Uhr: Lesung: Eden Park – Mit Tobias Elsäßer
- Do., 7.10., 19 Uhr: Lesung: True Facts – Mit Katharina Nocun
- Fr., 8.10., 18 Uhr: Workshop: Theaterprojekt zum Weltfrauentag
- Sa., 9.10.: Jubiläumsfeier
- Mo., 11.10., 19 Uhr: Infoabend: WhatsApp & Soziale Netzwerke
- Mi., 13.10., 17 Uhr: Infoabend: FSJ, BDF & Co.
- Di., 19.10., 17 Uhr: Infoabend: AB ins Ausland
- Mi., 20.10., 19 Uhr: Infoabend: Jugendbeteiligung medial
- Do., 21.10., 10 Uhr: Workshop: Tag der Kinderseiten (für 4. Klassen)
- Fr., 22.10., 19 Uhr: Infoabend: Fragt uns, wir sind die Letzten! Mit Holocaust-Überlebendem Pavel Hoffmann
- Mi., 27.10., 19 Uhr: Vortrag: Rechte Gruppierungen auf dem Vormarsch?
- Do., 4./Fr., 5.11., 10 Uhr: Workshop: Radioreporter in zwei Tagen
- Di., 9.11., 18 Uhr: Vortrag: Digitale Tools für die Jugendarbeit
- Mi., 10.11., 19 Uhr: Vortrag: Das wird man doch noch sagen dürfen
- Do., 11.11., 10 Uhr: Digitale Spurensuche: Aschaffenburg im Nationalsozialismus
- Do., 11.11., 19 Uhr: Vortrag: Inklusion in der Jugendarbeit
- Fr., 12.11., 14 Uhr: Medienfachtag: Vom Konsumenten zum Produzenten
- Mo., 15.11., 19 Uhr: Infoabend: Handy unterm Weihnachtsbaum
- Fr., 19.11., 10 Uhr: Workshop: Weltvorlesetag (für 2. Klassen)
- Sa., 20.11., 19 Uhr: Entertainment: 19. Aschaffenburger Poetry-Slam
- Mo., 22.11., 19 Uhr: Vortrag: Ohne Plastik leben
- Mi., 24.11., 9.30 Uhr: Vortrag: Bewerbung aktuell
- Fr., 26.11., 10 Uhr: Lesung: Tara & Tahnee – Mit Patrick Hertweck