
Foto: Till Benzin
„VOR ALLEM AUF DEN DÖRFERN GIBT ES NOCH VIEL INTOLERANZ“
42 Tage nach Conchita Wurst hat Europa seine nächste Sensation – oder zumindest die Region: Da selbst das Bayerische Nizza noch einen Nachschlag in Sachen Toleranz und Akzeptanz vertragen kann, hat die SchwuLesBische Jugendinitiative rAinBows den ersten Aschaffenburger Christopher-Street-Day initiiert. Mit viel Glitzer, Glamour und einer unmissverständlichen Botschaft soll unser Heimatstädtchen noch offen(herzig)er werden.
Sie kam, sah und siegte: Auch kleinkarierte Politgrößen aus Russland konnten nicht verhindern, dass der Kristallpokal des 59. Eurovision Song Contests an eine Diva mit Vollbart ging. Und das ist gut so: Haben die Europäer so doch einmal mehr vor Augen gehalten bekommen, dass die Welt bunt ist – und Schubladendenken genauso in ist, wie eine wasserstoffblonde Vokuhila-Frise. Auch Chris Berger und Andreas Rodig hat das, was „die Wurst“ in Kopenhagen abgeliefert hat, beeindruckt. „Conchita repräsentiert das, wofür wir stehen“, erklärt der 23-jährige Berger, der Erziehungswissenschaften studiert und zur Vorstandsriege der Aschaffenburger LGBTIQ-Jugendinitiative rAinBows – lesbian, gay, bisexual, trans- gender, intersex & queer – gehört.
Einen Gleichgesinnten hat er im 30-jährigen Andreas Rodig gefunden. Der Angestellte im Video- spielfachhandel macht sich ebenfalls bei den rAinBows, die sich jeden Donnerstagabend im JUKUZ treffen, stark. Im Oktober hat die Truppe die Idee eines Christopher-Street-Days aus der Taufe gehoben – „weil Aufklärung notwendig ist.“ Auch Vorurteile gegenüber Homosexuellen seien noch allgegenwärtig: „Vor allem auf den Dörfern gibt es noch viel Intoleranz“, erklärt Berger. Beide wollen den in Großstädten längst etablierten CSD als politischen Demonstrationstag mit starkem und auch „schlimmen“ Hintergrund verstanden wissen: „Der CSD ist nicht nur zum Feiern da“, so der 23-Jährige.
Mit Orkan Agdas, Daniela Baier und Viktor Well hat das Duo für den 21.6. ein Programm auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann: Um 12 Uhr startet die Parade am Hauptbahnhof und bahnt sich ihren Weg über den Dalberg bis hin zum Kirchhofweg. Im JUKUZ stehen ab 14.30 Uhr alle Zeichen auf Festbetrieb: Durch ein regenbogenbuntes Bühnenspektakel führen die aus der Region stammenden Dragqueens Miss Fabienne Diamond und Miss Louise van Opulence, Unterstützung leistet Giselle Hipps. Anschließend schraubt die Kleinheubacher DJane Frau Hopf an den Plattentellern und die eigens für diesen Anlass gecasteten All-Stars greifen zum Mikro. Ab 21 Uhr steigt im Goya die Special Vanity Party, bei der DJ Steve ES für wilde Zappeleien sorgt.
Auch für die Zeit danach ist viel geplant: Beispielsweise an den Baustellen „Aufklärung in Schulen“ und „Gefahr durch Cybermobbing“ gäbe es zu werkeln, erläutert Rodig. „Wir haben viel zu tun, solange es in Russland ein Homopropagandagesetz gibt und Homosexuelle bespuckt und geprügelt werden“, fügt Berger hinzu. Damit nicht genug: Waleri Raschkin, Chef der Kommunistischen Partei, forderte nach dem wurstschen Gewinn gleich eine eigene Veranstaltung namens „Voice of Eurasia“. Eine in Moskau geplante Wurst-Parade wurde im Keim erstickt. Und konservative türkische Politiker zeigen sich begeistert davon, dass „ihr“ Land nicht mehr beim Contest dabei ist. Fakten wie Punkte aus Russland für Österreich und eine Top-Platzierung des Siegersongs „Rise Like A Phoenix“ in den russischen iTunes-Charts sprechen allerdings eine andere Sprache. Eine bunte. Bunt wie Europa – und wie Aschaffenburg.
Laufgruppenanmeldung bis 15.6.: rAinBows@outlook.de