Werke der engsten Kirchner-Kollegen der „Brücke“-Zeit wie Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein & Otto Mueller. Außerdem Arbeiten von Max Beckmann, Lyonel Feininger, Conrad Felixmüller, Wassily Kandinsky, Edvard Munch, Otto Dix, Emil Nolde und Christian Rohlfs sowie ein facettenreicher Einblick in die Formensprache der Graphik der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Der Begriff Expressionismus umfasst eine Bewegung, die in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sämtliche Bereiche von Kunst und Kultur in sich vereinte. In seiner Mitte – von 1914 bis 1918 – tobte ein Weltkrieg, der die Aufbruchsstimmung, die sich zwischen 1905 und 1913 in der bildenden Kunst, vor allem in den Werken der Brücke-Künstler und der Künstlergruppe Der Blaue Reiter niedergeschlagen hatte, zunichtemachte. Dies führte in der Kunst der Nachkriegsjahre ab 1920 zu neuen Ausdrucksformen, die von einem realistischeren, kritischeren Blick auf Welt und Gesellschaft geprägt waren und bis zum beißenden Verismus eines Otto Dix reichten. Was jedoch diese vor und nach dem Ersten Weltkrieg schaffenden Künstler in ihren unterschiedlichen formalen und stilistischen Ausdrucksformen verbindet, ist das intensive Arbeiten mit druckgraphischen Verfahren und ihren differenzierten Gestaltungsmöglichkeiten, die sie im Zeitraum qualitativ wie quantitativ zu einer neuen Blüte führten. Dieser Zeitspanne ist die Ausstellung im Geburtshaus von Ernst Ludwig Kirchner gewidmet. Vorgestellt wird eine gezielte Auswahl von Meisterblättern expressionistischer Druckgraphik – Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Lithographien – die einer exzellenten Privatsammlung entstammen und umfassende Sachkenntnis eines vom Expressionismus begeisterten Kunstliebhabers zum Ausdruck bringen. Der Begriff Expressionismus kommt in den 1890-er Jahren, im Pariser Atelier des Künstlers Gustave Moreau, für eine subjektive wie impulsive Niederschrift des bildnerischen Entwurfs auf, bevor er 1911 im Katalog der XXII. Berliner Sezessionsausstellung auf eine teilnehmende Gruppe junger französischer Maler in Abgrenzung zum Impressionismus bezogen wird, die schließlich als Fauvisten Eingang in die Kunstgeschichte finden. Drei Jahre später überträgt der Kunstkritiker Paul Fechter, bereits in einem Rückblick, die Stilbezeichnung Expressionismus auf die Künstlergruppen Brücke und Der Blaue Reiter. Im Expressionismus steht der Mensch als Individuum in seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Gefühlsstimmungen im Fokus der künstlerischen Arbeit. Und so ist der Mensch das bevorzugte Motiv der präsentierten Graphiken – der Mensch changierend zwischen verführerischer Sinnlichkeit und hingebungsvoller Reinheit wie Edvard Munchs Madonna von 1902; der Mensch eins mit der Natur wie Erich Heckels Sitzende am Wasser von 1913; der Mensch verstrickt in seinen Gefühlen, leidend, verzweifelnd oder schwermütig wie Egon Schieles personifizierte und in sich gekrümmte Kümmernis von 1914 oder Kirchners in Auflösung begriffenes Selbstport-rät Melancholischer Kopf von 1927–29; der werktätige Mensch, frontal und kritisch blickend, wie der Kohlenbergarbeiter von Conrad Felixmüller aus dem Jahr 1920 oder der randständige Mensch als Kriegsversehrter, Bettler, Obdachloser oder Prostituierte wie in Otto Dix‘ schonungslose Graphiken. Sie alle spiegeln in unterschiedlichen graphischen Techniken die facettenreichen Erscheinungsformen des Menschenbildes ihrer Zeit. Und so schrieb der Kunsthistoriker Hans Tietze bereits 1922: „Die Graphik unserer Tage wird einer späteren Generation Zeugnis von ihnen geben, das getreueste Dokument der Fieber, die uns schütteln.“
Öffnungszeiten: Di.–Sa. 14–17 Uhr, So. 11–17 Uhr
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