Viele Worte zwecks Einführungsgedöns brauchen wir an dieser Stelle wahrlich nicht mehr verlieren. Unsere heißgeliebte Veranstaltungs- und Kreativbranche, deren Angebot in allen erdenklichen Genres von (Live-)Clubs, Gastro, Partys, Discos, Bühnen, Theatern, Kinos, Festen und Festivals, Austellungen und Freiluftfeierlichkeiten seit jeher einen Großteil unseres redaktionellen Alltags bestimmte, wurde Mitte März innerhalb weniger Tage in einen zwangsverordneten Tiefschlaf versetzt.
Und seitdem bei allen aufgesetzten Hilfsmaßnahmen entweder komplett vergessen oder mit vollmundigen Ankündigungen ins Land der Hoffnungen und Träume geschickt. Zumindest solange bis man zum Kleingedruckten vorgedrungen ist. Wen es aber genauso schlimm trifft, ist natürlich der durchschnittliche Konsument. Dieser darf zwar jetzt zumindest nach seinem Einkauf bis 20 Uhr noch irgendwo seinen Kaffee nehmen oder ein Bierchen zischen. Aber spätestens ab dann herrscht Kulturverbot. Und nein, Netflix ist keine Kultur. Doch jetzt ist tatsächlich auch bei uns ein Silberstreif am Horizont erkennbar: Seit dem 29.5. darf man sich auch in Aschaffenburg schön in seinen Autositz* kuscheln und lustvoll dabei zusehen und -hören wie dolbyoptimierte Blockbuster die KfZ-eigene Beschallungsanlage an ihre Grenzen bringt. Oder einem ab dem ersten Special-Effect direkt die Spaxschrauben der Boxenkarkasse in den Fußraum bröselt. Autokino is coming! Das Casino und das Kinopolis treten zusammen mit der Stadt Aschaffenburg an, die ersten Schritte aus der kulturellen Entzugsphase zu gehen und allen Ausgehungerten da draußen ab Einbruch der Dunkelheit ein Stück Eventfeeling zurückzugeben. Und wir sind ehrlich: Wir freuen uns wirklich unbändig darauf, mit unseren Lieblingskinos und euch allen einen ersten, wichtigen Schritt zurück in Richtung Nachtleben zu gehen. Dass in anderen Städten schon vor vier Wochen die ersten Filme und sogar Konzerte vor blechverpacktem Publikum am Start waren und in ebendiesen Kommunen die Besucherzahlen schon wieder rückläufig sind: geschenkt! Lasst uns gemeinsam ein paar rauschende Filmabende am Mainufer verbringen und uns die neue Art des Ausgehverhaltens in diesen ungewöhnlichen Zeiten zelebrieren und genießen! Wir möchten an dieser Stelle allen beteiligten Personen bereits vorab ein dickes und ernstgemeintes DANKESCHÖN für ihre Bemühungen zurufen. Danke, dass es wieder so etwas wie Kultur zu erleben gibt. Danke, dass wir wieder Veranstaltungsankündigungen statt -absagen überliefern dürfen. Und danke, dass wir das alle zahlreich auf dem Volksfestplatz abfeiern werden. Zum Abschluss nochmal kurz augenzwinkernd in die Zukunft geschaut, denn mit dem Autokino wird gerade im Sommer 2020 eine Freizeitbeschäftigung als neuer Heilsbringer gefeiert, die in den 60er- bis 80er-Jahren in Deutschland ihre fetten Jahre hatte. Wir können das nächste Hype-Event schon gar nicht mehr abwarten: Rollerdisko.
((*)) Autositz, der: Einer der coronatauglichen Sitzgelegenheiten in dem Autokino eurer Wahl. Leider wurde bei der Entwicklung dieses ursprünglich so zielführenden Einrichtungsgegenstandes eures Autos die Nutzung als Kinosessel in verschwindend geringem Maße berücksichtigt. Mit dem Effekt, dass – insbesondere bei Streifen mit Überlänge – die Nachteile bei dieser Sondernutzungsvariante offensichtlich werden: Bei alten oder ausstattungsarmen Kraftfahrzeugen wird deutlich, dass die verbauten Federn im Stillstand auch von ansonsten unempfindlichen Hinterteilen besonders gut zu spüren sind. Recaro-Sportsitze mit dem klassischen Go-Kart-Effekt sind auch nur bei Geschwindigkeiten größer 200 wirklich witzig. Lederbezug (egal ob kunst oder echt) will so gar nicht zu lauen Sommernächten und transpirierenden Körperrückseiten passen. Velour verzeiht die obligatorisch umgekippte Bionade nur schwer und die klassischen Stoffbezüge kratzen irgendwann wie Hulle. Tipp: Einfach die Anlage noch lauter drehen, dann merkt man’s nicht so.