In diesem berührenden Dokumentarfilm macht sich ein Mann auf die schwierige und aufwühlende Suche nach seinen Wurzeln. Eine quasi universelle Geschichte, die des verlorenen Sohns. Für ihren Film begleiten die beiden Regisseure Johannes Preuss und Marius Brüning den befreundeten Filmschaffenden Manuel. Sie kennen sich von der Filmakademie Baden-Württemberg und setzen das Thema dementsprechend spannend um, jenseits vom „Bitte melde dich“-Klischee.
Manuel Philip Sosnowski wächst bei Adoptiveltern im idyllischen Mössingen auf. Auf die Welt kam er jedoch als José Noé Estrada im mehr als 10.000 km entfernten Bolivien. Seine leibliche Mutter hatte ihn im Alter weniger Monate weggeben müssen – aus Armut. Geboren wurde er Anfang der 90er auf dem Boden einer Lehmhütte als viertes Kind einer Ziegenhirtin in einem abgelegenen Bergdorf. Dass er adoptiert ist, weiß Manuel schon sein Leben lang, doch erst mal interessiert es ihn nicht. Am Anfang der Doku stellt er fest, dass er noch nie so richtig mit seinen Adoptiveltern über das Thema geredet hat. Obwohl er natürlich tief drinnen immer das Bedürfnis hatte, zu wissen, woher er kommt. Die einzigen Hinweise darauf liegen abgeheftet in einem Aktenordner. Die Dokumente zeichnen ein kryptisches, unvollständiges Bild über die Hintergründe der Geschehnisse.

© Johannes Preuß
Landschaft bei Coroico
Den meisten Adoptivkindern geht es vermutlich wie ihm, sie wissen Bescheid, haben aber erst als Erwachsene den Mut, sich dieser Mammutaufgabe zu stellen und zu versuchen, die leiblichen Eltern zu finden.
So war es jedenfalls bei Manuel, als 30-Jähriger treiben ihn zahlreiche Fragen um und er will endlich Klarheit und Antworten. Wieso hat ihn seine Mutter damals zur Adoption freigegeben? Mit den spärlichen wenigen Informationen, die ihm zur Verfügung stehen, tritt er eine lange Reise voller Ungewissheit an. Zwei Personen helfen ihm und dem Filmteam bei der Suche, eine von ihnen ist Diego Gonzalez – denn Manuel selbst spricht kein Spanisch.
Sein Weg führt ihn in die Berge von Yawisla Potosí. Das Dorf liegt in der kargen Hochebene des Altiplano und zählt nur knapp 1000 Einwohner. Doch bevor er dorthin reist, will Manuel das Land kennenlernen, La Paz, Sucre, das Essen und die Landsleute.
Er macht sich auch ein Bild von der Region, in der er geboren wurde, die für die Ausbeutung von Silber bekannt ist. Hier trifft er auch auf Bergarbeiter. Sie fragen ihn, was ihn in diese entlegene Region führt – und fügen hinzu „Besser, dass er weggegangen ist. Hier wäre er vielleicht genauso am Arsch wie wir.“ Es drängt sich die Frage auf, was passiert wäre, wenn er hier bei seiner leiblichen Familie aufgewachsen wäre?

© Johannes Preuß
La Paz bei Nacht
Natürlich will Manuel nicht nur Bolivien kennenlernen, sondern hofft auch auf ein Lebenszeichen seiner Mutter. Denn nur sie kann ihm sagen, was wirklich passiert ist. Drohnenaufnahmen von der bolivischen Landschaft zeigen eine Lebenswirklichkeit, die in krassem Gegensatz zum reichen Deutschland steht. Manuel war es auch wichtig, seiner Mutter zu zeigen, dass sie nichts bereuen muss und er dankbar ist für das Leben in Deutschland und seine Adoptivfamilie. Ohne die Entscheidung seiner leiblichen Mutter wäre sein Leben sicherlich sehr anders gelaufen …
Zum Schluss gibt es erfreulicherweise ein Happy-End, es kommt zum großen Wiedersehen. Dabei ist das ganze keinesfalls ein sensationalistischer Film, der es schafft, solch essenzielle Momente respektvoll einzufangen.
Eine absolut gelungene Auseinandersetzung anhand der persönlichen Geschichte eines jungen Mannes mit dem Spannungsfeld von Identität, Heimat und Chancengleichheit, in dem sich erwachsene Adoptivkinder befinden.