Zwei Filmemacher mit Wurzeln in der DDR verewigen das Paradebeispiel eines unangepassten Kreativen in Form eines Films. Regisseur Andreas Kleinert und Drehbuchautor Thomas Wendrich vereinen in dieser unkonventionellen Mischung aus intensivem Biopic und kongenialem Drama Reales und Traumwelten, zeigt das Leben, Schaffen und die Gedankenwelt von Thomas Brasch, gespielt von Albrecht Schuch.
Wendrich und Kleinert verweben Braschs Lyrik, Prosa und andere schriftstellerischen Arbeiten als Kapitelüberschriften in Dialogen oder als ganze, dadurch inspirierte Szenen, die sich nahtlos in den Film einfügen, sowie Archivaufnahmen, wodurch ein raffiniertes Spiel mit mehreren Ebenen entsteht. Erzählerisch spannt der Film einen weiten Bogen von der Kindheit bis zum Lebensende.
Als Kind deutsch-jüdischer Emigranten im Exil in England geboren, siedelt Braschs Familie in die sowjetische Besatzungszone über. In der noch jungen DDR kann sich Thomas nicht einfügen und lehnt sich gegen die politischen Restriktionen auf. Während sein Vater Funktionär ist und Karriere bis zum stellvertretenden Minister für Kultur der DDR macht, will Thomas Schriftsteller werden. Kaum verwunderlich, dass sein erstes Stück verboten wird und der rebellische Träumer kurz drauf von der Filmhochschule fliegt. Als Reaktion auf die Invasion im Zuge des Prager Frühlings geht Brasch zusammen mit anderen Studierenden auf die Straße und stopft Flugblätter in Briefkästen, was gründlich schiefgeht. Sein Vater verpfeift ihn an die Stasi und bringt ihn damit hinter Gitter. Als er auf Bewährung rauskommt, schreibt er über die Liebe, Rebellion und den Tod, trifft die Liebe seines Lebens, die gerade einen anderen geheiratet hat und leidet. Schließlich verlässt er mit Katharina die DDR, die ihm nie eine Heimat war und ihm kein Gehör geschenkt hat. Im Westen dagegen wird er gefeierter Bestsellerautor. Doch weder das, noch seine Rückkehr nach Ost-Berlin nach dem Mauerfall bringen Brasch Erfüllung oder Ruhe …
Stilistisch kommt Kleinerts Film erstaunlich nah an Wendrichs Fassung heran. Schon der fulminante Auftakt macht klar, dass keine schnöde Nacherzählung passieren wird. Bildgewaltig, ausdrucksstark und in Schwarz-Weiß mischt sich Surreales mit Realität. Zum Beispiel dann, wenn sich der junge Thomas, der seine Eltern nicht finden kann, im Zeitraffer durch die Wohnung bewegt, raus auf die Straße und die Erzählung, kommentiert von einer Frauenstimme aus dem Off, immer fantastischer anmutet. Irgendwann wird klar, dass sich Brasch in eine Gute-Nacht-Geschichte hineingeträumt hat.
Der Film schafft es, das innerste Wesen von Brasch offenzulegen, es wird deutlich, dass er weder an Kunst noch Revolution um ihrer selbst willen interessiert war. Vielmehr liegen ihm Poesie und Systemkritik im Blut, wie seine Passion für das Schreiben und seine originellen Filme beweisen.
Überraschend bis zum Schluss: Nach einem Zeitsprung in Braschs Todesjahr 2001 befindet man sich plötzlich wieder in der Gute-Nacht-Geschichte. Und irgendwo zwischen Dichtung und Wahrheit ist man inmitten der Welt von Thomas Brasch …
Das Biopic ist nicht nur ein außerordentlich gelungenes Porträt eines großartigen Künstlers, der ein rastloser Revolutionär und zu gewaltig für das Korsett seiner Zeit war, sondern zugleich ein aufschlussreicher Einblick in die deutsch-deutsche Geschichte.