1915 fiel Albert Weisgerber mit grade einmal 37 Jahren im Ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern Flanderns und hinterließ die mehr als 400 Werke, die aus seinem umfangreichen Schaffen hervorgingen. Er zählte zu den aufstrebenden Malern zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ebnete den Weg in die Moderne. Sein vielschichtiges und umfangreiches Werk, das sich zwischen Impressionismus und Expressionismus bewegt, durchlebte epochale Zäsuren sowie Spannungen. Dabei blieb der Künstler stets seiner autonomen Position zwischen Avantgarde und Tradition treu.
Schon in frühen Jahren zeigte Weisgerber Talent für das Zeichnen, sodass er als Jugendlicher in die Klasse für Zimmer- und Dekorationsmalerei der Kaiserslauterner Kreisbaugewerbeschule wechselte. Nach seinem Abschluss als Klassenbester und kurzer Dekorationsmalerarbeit ging er schon bald darauf an die Münchner Kunstgewerbeschule. Hier besuchte er die Malklasse von Franz Stuck. Hans Purrmann, Paul Klee und Wassily Kandinsky zählten zu seinen Klassenkameraden. Schon bald nach seinem Abschluss konnte er große Erfolge feiern. Für Gerlachs Jugendbücherei zeichnete er Illustrationen zu Grimms Märchen, erhielt erste Preise für Plakatentwürfe und illustrierte „Till Eulenspiegel“. Kurz nachdem er den Freiwilligendienst beim Militär mit Erreichen des Unteroffizierrangs beendet hat, starb seine Mutter. Doch sein Leben und Schaffen florierten, er ging nach Paris, Florenz, heiratete, schloss Bekanntschaft mit Henri Matisse. Seine Werke wurden in zahlreichen renommierten Ausstellungshäusern gezeigt, darunter Paul Cassirer in Berlin, bei Schames in Frankfurt, im Kunsthaus Zürich und bei der Sonderbundausstellung in Köln. Als Mitbegründer hat er noch die erste Ausstellung der Neuen Münchener Secession miterlebt, bevor er einberufen und im Krieg tödlich verwundet wurde. Während seiner gesamten Künstlerkarriere ließ sich Weisgerber nicht in ein Stilkorsett pressen und hielt an seiner eigenen Manier fest. Dennoch lassen sich Einflüsse der frühen dunkeltonigen Malerei der Münchner Schule, des Impressionismus und Expressionismus in seinen außergewöhnlichen Arbeiten erkennen. Sein Leben, seine Reisen und seine Weggefährten haben zweifelsohne sein Schaffen geprägt. Neben München beeinflusste auch Paris als Angelpunkt der Moderne fundamental Weisgerbers künstlerische Weiterentwicklung. Anders als die Avantgardisten, die den Weg in die Abstraktion beschritten, hielt Weisgerber eher am Realismus fest. Das zeigt sich in seinen Werken und dem darin dokumentierten Menschenbild und der Wiedergabe der realen Welt. So fertigte er eine Vielzahl an Porträts, Selbstbildnissen, Akten und Kompositionen mit diversen Personen sowie einige Vorstadtbilder und Landschaften, die etwa die Südtiroler Alpen zeigen. Seine Reise nach Florenz im Jahr 1909 dürfte der Auftakt zu einem Neuanfang gebildet haben, der sich auch in der Wahl seiner Motive widerspiegelt. Ab hier bedient er sich zunehmend biblischer, religiöser und mythologische Stoffe. Durch die Konfrontation mit der Kunst der Renaissance in Italien entwickelte der Künstler vor allem eine große Faszination für die Figur des heiligen Sebastians. Dies mündete in einer Auseinandersetzung mit seiner eigenen gesellschaftlichen Rolle als Nonkonformist und Individualist. Aber auch Absalom, Jeremias sowie David und Goliath finden Eingang in seine Arbeiten. Insbesondere Weisgerbers Darstellungen des Propheten Jeremia erhalten vor dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Ereignisse vor Ausbruch des Krieges im Werk des Malers eine aktuelle Dimension. Sein Schaffen in dieser Zeit steht exemplarisch für den bestrebten Aufbruch einer ganzen Generation. Obgleich die Nationalsozialisten seine Kunst als entartet eingestuften, wurde sie nicht zerstört, sondern veräußert, sodass sein umfassendes Werk bis heute erhalten blieb. Bis Ende Februar kann man Teile davon in der Schau der Kunsthalle Jesuitenkirche betrachten.