Es bleibt am Ende die große Frage dieses Buches: Wie zur Hölle konnten NOFX das alles überleben? Die Drogen, die Alkoholeskapaden, die Gewalt der Hardcoreszene an der Westküste? Inmitten der Rockbiographien ist das hier wahrscheinlich eine der Schonungslosesten, weil Ehrlichsten und Zügellosesten. Und das macht das Buch so großartig, dass es bereits einen Platz auf der Beststellerliste der New York Times innehatte. Das ist mal eine Hausnummer: NOFX, die New York Times und die Bestsellerliste. Unfassbar!
Als wir mit knapp 20 Jahren auf nahezu alle NOFX-Konzerte unserer erreichbaren Umgebung fuhren, unsere Autos mit Epitaph und Fat Wreck-Aufklebern vollpflasterten, wussten wir, dass diese Truppe ein anderes Leben in den Knochen hat. Dass es so zerfahren, ungebremst, zerrissen zwischen Obdachlosigkeit, heruntergekommenen Clubs, Heroin und Gangkriegen stattfand, ahnte keiner von uns Gymnasialkindern. Pascow singen „Das ist Gimbweiler und nicht LA“. Genau. Das war Hösbach und eben nicht LA. Los Angeles war in den 80ern der Melting Pot einer Szene, die sich nicht durch eine politische Haltung, sondern vornehmlich durch einen kranken Hunger nach Eskalation, Gewalt und Drogen auszeichnete. Mitten drin Mike Burkett, Eric Melvin und Erik Sandin. Sie fanden sich irgendwie. Anfang der 90er kam Aaron Abeyta aka El Hefe dazu und NOFX begannen Hand, Fuß und Profil zu bekommen. Plötzlich konnten alle gut davon leben. Mittlerweile sogar außerordentlich gut!
Die Hepatitis Badewanne hat viele Geschichten. Manche sind nicht schön, müssen jedoch erzählt werden, andere sind völlig absurd und krank und bei wieder anderen erfahren wir endlich wie El Hefe zu El Hefe wurde, dass er niemals bei „Die Bären sind los“ mitspielte und was zur Hölle es mit den Moron Brothers auf sich hatte. Wir schmunzeln, schütteln den Kopf, kramen im Plattenschrank und hören endlich wieder die White Trash, Two Heebs and A Bean. Wurde auch langsam Zeit.
NOFX haben 13 Alben veröffentlicht, obendrauf Liveplatten und zahlreiche EPs. Dazu brachten sie mit Backstage Passport eine unfassbar lustige und entfesselte TV-Doku aufs Gleis. Über 30 Jahre sind sie am Start und haben sich nie einem Major-Deal angebiedert, im Gegenteil: Als die große Punkrock-Welle kam, stärkten sie ihr eigenes Label Fat Wreck Chords. Fat Mike mag manchmal die Fassung verloren haben, die Orientierung und eine klare Position hatte er immer. NOFX begannen durchwachsen und wurden von Platte zu Platte besser. Ja, vor allem auch das ist Punkrock. Sie fanden einen Stil. Geprägt vom Sound von Bad Religion und doch einzigartig über die Jahre. Erst vor kurzem, beim Hören der aktuellen Platte, wurde mir nochmals der Stellenwert bewusst. Vielleicht ist das auch die Moral der Geschichte: Wir haben es hier mit den Sex Pistols der Postmoderne zu tun. Verdammt nochmal. Genau. Das ist es! Und das ist ihre Geschichte.