© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#7 Alles easy
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In unserem Bekanntenkreis und manchmal darüber hinaus, treffen wir immer noch auf Menschen, die behaupten, mit Kindern wäre alles ganz einfach. Wir nennen diese Menschen hausintern „Alles-Easy“-Eltern. Und wir glauben – auch natürlich hausintern – dass die allesamt nicht ganz dicht sein können. Oder eine Tasse gespritzten Lügenpunsch getrunken haben. Ich liebe meine Kinder über alles, sie haben meinem Leben eine neue Qualität gegeben, lassen all meine ganz tief in mir schlummernden Gefühle raus – so viel Gefühl, dass ich manchmal gar nicht weiß, woher das eigentlich kommt, durch sie entdecke ich Dinge, die ich vorher nicht mehr auf der Matte hatte und dank ihnen interessiere ich mich plötzlich auch wieder für Sachen, die mich lange Zeit kreuzweise konnten. Aber eines ist auch sicher: Nichts, aber auch rein gar nichts, wurde durch sie einfacher und alles easy läuft schon mal überhaupt nichts mehr. Sieht man mal von der Tatsache ab, dass sich für mich oftmals viele Fragen nicht mehr stellen. Ob ich beispielsweise jedes Heimspiel der Eintracht auf dem Erzeugermarkt der Konstabler Wache beginnen und in der Saint Tropez Bar beenden, spontan auf ein Captain Planet-Konzert nach Köln fahren oder endlich einmal drei Tage am Stück ausschlafen kann. In dieser Breitseite völlig undenkbar. Zumindest bei uns. Und das mit oder ohne Elternzeit. Und das ich nicht mehr vor die Qual der Wahl gestellt werde, ist so ziemlich das einzige was jetzt einfacher ist. Der Rest ist komplizierter, einschränkender, mit doppelt so viel Aufwand verbunden.
Das alles ist nicht schlimm, völlig ok sogar, aber es ist definitiv nicht easy. Das behaupten diese Menschen aber immerwährend. Da muss ich mich dann am Kopf kratzen. Was zur Hölle soll denn easy sein? Wenn wir unser Auto für einen 5-Tages-Trip in den Schwarzwald so randvoll packen, dass sogar Nachbarn glauben wir wären bei der nächsten Staffel für Goodbye Deutschland dabei? Nur mal so: Ich habe längst den Anspruch aufgegeben in den nächsten zehn Jahren jemals auf solchen Fahrten wieder aus dem Rückfenster schauen zu können. Dass wir hierfür fast einen Tag packen? Dass meine Tochter, kaum sind wir auf die Autobahn geschlittert, mich fragt „Wann sind wir da?“ Und diese Frage dann im 2-Minuten-Takt wiederholt. Ich dachte immer das sei ein schäler Witz. Ist es keiner. „Es dauert noch zwei Stunden und 50 Minuten“. „Wie lange ist das?“. „Das ist bis 10200 zählen, dann sind wir da…“ – „, Okay.1, 2, 3, 4, 5 … zählst du bitte mit Papa?“ Ist es easy, dass mein Sohn mich gerade nochmal vollspuckt, wenn wir geschniegelt und gebügelt zum Ausgehen bereit stehen? Oder dass meine Tochter nachts um drei Uhr von Ihrem Hochbett so laut brüllt, wie ein Seemann, der nach 8 Wochen auf dem offenen Meer endlich Land entdeckt hat. Was ist der Grund? Ach so, Durst. Wie gesagt: Alles cool, alles manchmal sogar witzig, wenn Du keine Termine am Morgen hast. Aber Freunden, das ist doch nicht easy. Oder bin ich falsch gewickelt? Ich verbringe Nächte am Bett meiner fiebernden Tochter und trage Bruno beim Zahnen von oben nach unten und links nach rechts. Alles gut, ist mein Job – aber easy ist anders!
Easy ist bis 10 oder 11 Uhr im Bett abzuhängen, dann nutzlos in Plattenläden irgendwelche Raritäten suchen, einen Apfelwein hinterher trinken, gleich weiterzuziehen zum Abendessen, um vier in der Nacht im Bahnhofsviertel ein letztes Bier kaufen und im Morgengrauen mit dem Fahrrad heimradeln. Das ist beispielsweise easy. Oder für zwei Personen einen Flug buchen, ohne eine LKW-Ladung Sondergepäck zusätzlich einchecken zu müssen. Oder Sonntagsfrüh zu beschließen, die komplette Staffel von Stranger Things am Stück zu schauen. Das ist easy. Mir fallen da noch 100 andere Dinge ein und ich frage mich, was habe ich all die Jahre überhaupt mit meiner freien Zeit gemacht.
Diese Menschen tun aber so nach außen, als ob das alte Leben mit Kindern nahtlos weiter geht. An alle, die noch kinderlos sind und das glauben: Das tut es nicht. Ganz sicher. Ganz ehrlich. Es nicht alles, aber fast alles anders, sobald der Windeleimer gekauft ist. Meistens sind hier die Männer die größten Sprücheklopfer. Vielleicht ist das auch so ein Männerding, das Kinderthema und mögliche Schwierigkeiten völlig zu negieren. Einfach mal sagen, alles ist easy. Als ob alles andere uncool ist. Keiner meiner engen Freunde jammert, aber niemand tut auch so, als habe sich nichts verändert. Der Laden läuft. Aber unter erschwerten Bedingungen. Dass das so wird, wie es jetzt ist, dachten allerdings auch nur die wenigsten. Ich auch nicht. Aber wenn mir heute ein Nasenbär weißmachen will, dass bei ihm – sobald er Vater wird - das alles nicht so wird und er weiterhin ordentlich die Pfanne schwenken will, selbst wenn der Nachwuchs derweil auf den Betten tanzt, dann ist mir das allenfalls nur noch ein müdes Lächeln wert. Denn das sind die ersten die einknicken oder die Scheidung sechs Wochen nach Geburt einreichen.
Bruno und ich hören: Nomeansno „Wrong“ (Alternative Tentacles) und hier besonders laut „Oh No! Bruno!“