© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#25 Lernerfolge
Mein Sohn feiert in den letzten Wochen große Lernerfolge. Meine Frau behauptet, es läge wohl daran, dass sie im vergangenen Monat wieder verstärkt Zeit mit ihm verbrachte. So richtig wiedersprechen kann ich da leider gar nicht. Wir sollen ja ehrlich sein. Aber meine Frau geht Lernen mit dem Kind mit viel mehr System, Nachhaltigkeit und Disziplin an. Da kann ich aus der Distanz nur fröhlich zuwinken und gute Miene zu schlauem Spiel machen. Ich will nicht sagen, dass mein Sohn bei mir überhaupt nichts gelernt hat. Und vielleicht ist es auch nur Zufall, dass er plötzlich mit der Gabel essen, nach dem Schlüssel rufen oder den Teller an den Tisch bringen kann. Nur: Ich habe es einfach nicht ausreichend ausprobiert. Und vor den Schulferien meiner Frau machte er von sich aus keine Anstalten. Ende der Erklärung. Der Rest weiß der liebe Gott. Und der vielleicht auch nicht.
Ich will es nicht als großen Erfolg meinerseits verbuchen, dass er mit großer Freude weiß, wie der Fernseher angeht. Das konnte er nämlich bereits vor zwei Monaten. Und zeigt das fortan stolz mindestens zweimal am Tag. Dabei habe ich gar nicht den ganzen Tag mit ihm fern geschaut. Nur ab und an und hier im Schwerpunkt Sport. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht. Und Nachrichten oder Dokumentationen aus dem Tierreich schaden ja auch nicht. Nur am Rande, eine wunderbare Beschreibung und Begrifflichkeit: fern geschaut. Mein Sohn wird sie wahrscheinlich schon gar nicht mehr benutzen. Ich schreib mir durchaus auf die Fahne, dass er ein sehr fröhlicher, freundlicher und körperbetonter Typ ist. Er hat einen Wurf bei den Frauen und geht mit nicht allzu viel Angst durch die Welt. Wenn er stürzt, rappelt er sich justamente hoch und verzieht nur bei harten Schlägen auf Kanten kurz die dicken Backen. Sollte er einmal im lokalen Boxclub landen, er wird nur schwer auf die Bretter gehen. Das verspreche ich. The Return of Karl Mildenberger! „Schneid mir die Augen auf!“ Genau, steh auf, Rocky!
Jetzt hilft er plötzlich bereits beim Frühstückstisch-Decken mit und ruft lauthals nach dem Schlüssel, wenn wir ihn suchen. Das ist doch auch mal was. Zu meiner Ehrenrettung muss ich nochmals erwähnen, dass meine Frau Lehrerin ist. Sie ist entsprechend Kraft ihres Berufes noch viel besser ausgestattet mit Methoden und Techniken. Selbstverständlich ist das aber noch lange nicht. Die besten Köche haben ja oft die dreckigsten Küchen. Wird so gesagt, glaube ich. Meine Frau arbeitet an einer Integrativen Gesamtschule mit hohem Migrationsanteil. Alltag bei ihr sind Dialoge der folgenden Art. „Ey, gib Bibel, Schwachmat!“. Daraufhin die besser gebildete Schülerin „Das heißt: Gib DIE Bibel, DU Schwachmat!“. Das ist kein Witz oder ausgedacht. So passiert in Frankfurt-Bockenheim. Meine Frau ist entsprechend Leid geprüft und gewohnt. Ich bin derweil froh, dass sie mit Vehemenz hinterher ist, dass unsere Kinder mit der Fähigkeit zu ganzen Sätzen in die Welt geschickt werden und nicht aus Faulheit per se jeden Artikel weglassen. „Ich geh Rewe“ und solche Kaliber. Ich flankiere sie hier gerne. Mir ist das nämlich auch sehr wichtig, denn sonst gut’ Nacht. Jetzt spricht meine Tochter bereits das beste Deutsch in der ganzen Familie und formt Sätze, die ich in meinem ganzen Leben noch nie in dieser Qualität gebildet habe. Mich beruhigt nur, dass sie allem Anschein nach im Kindergarten beliebt ist, Skateboard fahren lernen und endlich mit mir zur Eintracht und zu einem Punkkonzert will. Die Mischung aus allem wird es hoffentlich richten.
Körper und Geist. Beides muss ja vernünftig geschult werden. Aber ganz so kann ich das auch nicht auf mir sitzen lassen. Heute früh rief Bruno lauthals eine Art „Frühstück“ durchs Haus und trommelte alle fehlenden Frauen zusammen. Das habe ich ihm in Windeseile eingetrichtert. Ich kann nämlich, wenn ich will. Und soll einer sagen, wir Männer könnten nichts dazulernen. Wir lernen immer, jeden Tag! Auf geht’s Bruno, sag der Mama: „Frühstück!“
Bruno und meine Frau hören Jack Johnson „In Between Dreams“ (Brushfire Records)