© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#15 Post vom Amt
Vor nicht allzu langer Zeit bekam ich Post vom Amt. Es war eine Anhörung. Da dachte ich bei mir, Freunde, wir sind ja, wenn ich mir die allgemeine Weltlage so anschaue, durchaus ein tolles Land. Mit viel Absicherung und immer noch guten sozialen Standards. Aber an unserem Ämter-Schriftverkehr und der zugehörigen Wortwahl könnten wir gut und gerne mal arbeiten. Aber langsam. Ich fange besser von vorne an. Anfang April starte ich nämlich wieder mit der Arbeit. Etwas schneller als gedacht, dafür aber sehr reduziert. 19,5 Stunden in der Woche. Elterngeld Plus heißt das Zauberwort und das lässt mich Elternzeit und Arbeitszeit kombinieren. Das stand zu Beginn meiner Elternzeit noch nicht ganz fest und ich will mich jetzt an dieser Stelle nicht in allen Regelungen und Möglichkeiten des Elterngeldes und vor allem nicht in meiner individuellen Antragsstellung verlieren. Sonst verliere ich am Ende meine fünf Leser, weil sie eingeschlafen sind. Es geht und ging aber alles mit rechten Dingen zu. Ich will auch nochmals betonen, dass ich das zuständige Hessische Amt für Versorgung und Soziales Frankfurt bislang als sehr freundlich und kundenorientiert erlebt habe. Das muss ja nicht bei jedem Amt der Fall sein. Wenngleich ich auch die Erfahrung gemacht habe, dass ordentlich freundlich sein oder wahlweise ordentlich auf den Putz hauen, bei Ämtern zwei unterschiedliche, aber jeweils durchaus erfolgreiche Strategien sind.
Deshalb überlegte ich nicht lange und sagte mit ruhiger Stimme zu mir: Ralph, ruf mal früh beim Amt an und kündige das zeitig an. Das mögen die dort bestimmt und freuen sich. Gesagt, getan, Hörer in die Hand und treu erzählt, dass dies der wahrscheinliche Fortgang meiner Laufbahn ist. Daraufhin wurde mir kurz und knapp gesagt, dass ich schleunigst mal die Unterlagen für diese Stelle einreichen muss. Und das Elterngeld muss jetzt leider auch gesperrt werden. So. Da saß ich jetzt mit meinem Entgegenkommen. Mit großem Charme konnte ich die Sperrung nur auf die betroffenen Monate eingrenzen. Knapp eine Woche später bekam ich einen Brief. Dies war besagte Anhörung zu meinem Fall. Da musste ich kurz mal nachdenken und den Verlauf vor dem geistigen Auge nochmals bündeln: Ich habe doch dort angerufen. Mit reinem Herzen und voller guter Absichten. Meine neue Stelle spart den öffentlichen Kassen sogar noch Geld. Doch als Reaktion bekomme ich eine Anhörung. Als ob ich gerademal wiederholt einer Rentnerin die dritten Zähne geklaut hätte oder zum fünften Mal mit einer Weinbrand-Fahne in eine Polizeikontrolle gefahren wäre. Kein Hallo, kein Grüß Gott und von einem Danke, dass ich mich so früh gemeldet habe, ist schon mal gar nichts zu finden.
Liebes Amt, ich akzeptiere deine Sorge, dass ich mich mit einer Doppelzahlung in den Untergrund absetzen könnte. Ich kann mir auch vorstellen, dass Geld zurückfordern immer schwieriger und komplizierter ist, als zunächst mal kein Geld auszuzahlen oder nachzuzahlen. Aber so ganz kann ich dich doch nicht verstehen. Ich melde mich bei dir und bin dir gegenüber ganz ehrlich. Schreibe mir doch erst einmal einen netten Brief. Dass du dich freust, dass ich wieder in den Beruf einsteige und dass du mir dafür zunächst alles Gute wünschst, denn das ist ja sicherlich nicht ganz so einfach mit zwei Kindern. Und dann weise mich gerne darauf hin, dass du von mir etwas brauchst, da es sonst drunter und drüber gehen könnte. So ein bisschen ein freundlicher, zugewandter Ton wäre einfach rundweg klasse. Und es würde den guten Eindruck, den ich die ganze Zeit von dir hatte, fett und dick unterstreichen. Wir Eltern sind in der Regel nicht hinterhältig und böse. Da haben wir nämlich keine Zeit für. Denn wir haben auch ein bisschen was um die Ohren. Und für manche Eltern kann die Sperrung des Elterngeldes ein echtes Problem sein. Denn nicht jeder Arbeitgeber lässt alles stehen und liegen und füllt gleich mal deine Vordrucke aus. Die Gelackmeierten sind beispielsweise Familien mit sehr geringen Einkommen oder die alleinerziehende Mutter, die dann ohne Kohle dasteht. So kurz mal reinversetzen. Das wäre ultra-cool. Schreib dann im ersten Brief nicht gleich Anhörung und tu nicht so, als ob du einer Riesennummer auf die Schliche gekommen bist. Ja? Schreib einfach einen „Brief“. Und Danke! Dass es so etwas gibt wie das Elterngeld. Das ist wirklich etwas ganz Prächtiges. Es hat uns ermöglicht, ein neues, progressives Familienmodell zu leben. Ohne großen finanziellen Druck. Es hat meine Kinder, meine Frau und mich sehr glücklich gemacht und mir eines der schönsten Jahre meines Lebens geschenkt. Also. Du machst das schon. Ich glaube fest an dich!
Bruno und ich hören: Blumfeld „L’Etat Et Moi“ (ZickZack/ Big Cat)