© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#11 Fiese Tricks
Meine Frau stellt mir manchmal fiese Fallen. Ich falle allerdings nicht drauf rein. Meist passiert das aber völlig unabsichtlich. Also das Nichtreinfallen. Nicht die fiesen Fallen. Die baut sie mit perfider Strategie. Eine der Tatsachen, die einer so langen Elternzeit in unserer Konstellation ihren eigentlichen Zunder gibt, ist die Unterschiedlichkeit, mit der die Partner einige Dinge angehen. Völlig andere Prioritäten, Laufwege und eine ganz andere Ballbehandlung. Das ist nicht weiter schlimm, aber es fällt auf. Es mag Paare geben, die flöten tagein tagaus die identische Klarinette, bei uns herrscht in der Grundausrichtung gleicher Flow, in Detailfragen agieren wir ab und an sehr verschieden. Beispiel gefällig? Themengebiet Wärme und passende Bekleidung.
Fragt einer meine Frau, sagt die, ich gehe das Thema Kälte so naiv an, wie ein asiatischer Tourist seinen ersten Besuch in der Frankfurter Apfelweingaststätte "Zur Germania". Bereits in der ersten Woche meiner Elternzeit wurde mir deutlich, dass wir ein und die gleiche Sachlage völlig verschieden interpretieren. „Ah spitze, du warst mit Bruno draußen. Aber du hast ihm die dicke Jacke angezogen.“ Kein Fragezeichen. Für sie eine feste Annahme. „Äh, nein, es war sehr warm heute.“ Peng, da haben wir schon den Salat. Wäsche einräumen, Kinder eincremen, wie viel Toastbrot in der Woche soll ein viereinhalb-jähriges Mädchen schon essen? Überall könnten wir beide eine TV-würdige Diskussionsrunde dazu abhalten. Machen wir nicht, zu wenig Zeit. Stattdessen kurzer Austausch der Positionen und weiter wie bisher.
Jetzt fährt neuerdings meine Frau jedoch völlig andere Geschütze auf. Und zwar positioniert sie an den abstrusesten Stellen im Haus völlig für diesen Ort sinnfreie Gegenstände. Zielgerichtet wohlgemerkt. Sage ich. Mir fiel das Gesteuerte zunächst gar nicht auf, nur dass da etwas liegt, was überhaupt keinen Sinn ergibt. Ich vermute sie verfolgt damit die Absicht: „Mal schauen, ob der Spezialist das entdeckt und wegräumt. Oder ob er nur den ganzen Tag mit dem Stammhalter lautstark Musik hört oder Unsinn verzapft.“ Ich entdecke die Dinge wohl, mache mir aber folgende Gedanken: „Hola, was ist das denn? Welcher Otto hat denn ausgerechnet eine einzelne Windel hierhin hingelegt? Auf den Stuhl neben den Kühlschrank? Völlig behämmert. Ich war es nicht. Aber vielleicht hat das schon seinen Sinn. Sonst wäre es ja nicht da. Ich lass sie mal besser liegen.“ Manchmal denke ich auch: „Na wer so einen Quatsch ausgerechnet hier vergisst, der muss ihn dann auch selbst wegräumen. Ich bin ja hier nicht der Depp vom Dienst und nur so lernt es die- oder derjenige auch. Wir sind ja nicht Familie Hillybilly!“.
Meine Frau packt die Dinge nach geraumer Zeit ernüchtert weg. Wir haben uns jetzt darüber ausgetauscht. Sie sagt, es wäre keineswegs eine richtige Strategie von ihr. Sie würde nur die Dinge deutlich früher entdecken und dann einmal abwarten, ob ich mich daran störe. Schlüsselerlebnis für meine Frau war angeblich ein Aufenthalt von ihr in Stockholm. Da waren wir noch ohne Kinder. Sie suchte noch vor ihrer Abreise etwas und hinterließ dabei einen überschaubaren Berg an Dingen auf dem Schlafzimmertisch. Dann fuhr sie weg. Eine Woche später lag der Haufen noch immer da. Unverändert. Unberührt. Dieser Haufen verfolgt mich anscheinend bis heute. In diesem Punkt verstehen wir unseren jeweiligen Ansatz nicht, aber wir lernen ihn zu akzeptieren. Manchmal räume ich jetzt sogar manche Sachen an ihren Platz, nur weil ich weiß, es macht ihr eine Freude. Oder ich creme Bruno nochmal ein, weil ich sicher bin, es beruhigt sie ungemein.
Es mag ja sicherlich Paare geben, da läuft der Hase genau umgekehrt. Zudem bin ich der Vorletzte, der Klischees bedienen will und glaube außerdem tatsächlich, dass viele Rahmenbedingungen letztendlich unsere Verhaltensmuster prägen. Aber in diesem Fall muss ich einmal festhalten: Ich suche am Tag dreimal meinen Schlüssel und zweimal den Geldbeutel. Die Windel habe ich allerdings nicht auf den Stuhl gelegt.
Bruno und ich hören: Kvelertak „Kvelertak“ (Indie Recordings)