Foto: Anika Koppenstedt
DES TOASTERS ZWEITES LEBEN
Zwei linke Hände, zu wenig Zeit oder einfach Bammel vor der Herausforderung: Gründe dafür, streikende hölzerne, elektrische oder zweirädrige Mitbewohner zu entsorgen, gibt es viele. Dabei müsste längst nicht jeder Toaster in der Tonne und nicht jeder Drahtesel in der Schrottpresse landen – manchmal könnten motivierte Mitmenschen wahre Wunder vollbringen. Schnittstelle für lebensverlängernde Maßnahmen ist ab Oktober das Repair Café, das Hilfsbedürftige auf Spezialisten treffen lässt.
Im Kirchhofweg findet zusammen, was zusammengehört: Da kommt Person A, die sich von ihrem Toaster, der ihr so treue Dienste geleistet hat, noch so gar nicht trennen will – würde nicht ab und an der Schalter klemmen – und trifft auf Person B, die ein wahrer Toasterflüsterer zu sein scheint. Letztere schraubt den Brotbrutzler fix auf, reinigt Kontakte, rödelt das gute Stück wieder zusammen und überreicht Person A stolz ihr Eigentum. Person C findet ihren zugegebenermaßen ziemlich speziellen Lieblingspullover immer noch total knorke, wäre da bloß nicht das stetig größer werdende Loch … Suboptimal nur, dass man mit Nadel und Faden so gar nicht umzugehen weiß. Dafür aber Person D, die, praktischerweise Schneiderin, am 11.10. ebenfalls in den JUKUZschen Räumlichkeiten zugegen ist.
Zu schön, um wahr zu sein? Fast. Doch nachdem sich immer mehr schlaue Köpfchen von einer Wegwerfgesellschaft distanzieren möchten und nachhaltiges Denken zunehmend an Bedeutung gewinnt, boomen sogenannte Repair Cafés – kostenlose Treffen, an denen Teilnehmer mit Fachleuten eigene, nicht mehr ganz funktionstüchtige Gegenstände wieder fit machen. Werkzeug und Material für alle möglichen Reparaturen sind dabei vorhanden. Nach geglückter Mission marschiert jeder mit seinem Besitz nach Hause – und hat ab diesem Zeitpunkt bestenfalls nicht nur einen wieder pustenden Fön im Schrank, sondern auch einen gleichgesinnten Freund fürs Leben gefunden: „Repair Cafés gelingt es, die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen und Generationen zu verknüpfen“, erläutert Thorsten Scherf, der die Idee nach Aschaffenburg gebracht hat. Der Fachmann auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe hat viele interessante Menschen mit kreativen Ideen getroffen. Einfälle notierte er sich. In einer Phase der beruflichen Neuorientierung hatte der Volkswirt jüngst noch ein paar Minuten frei – und da er glücklicherweise zu den Menschen gehört, die die Füßchen nur bedingt stillhalten können, nutzte er die Zeit, um in besagter Ideenfibel zu blättern …
Der Aschaffenburger nahm den Telefonhörer zur Hand – kurze Zeit später war er mit Moni Blum, verantwortlich für den JUKUZschen Werkstattbereich, sowie Bernhard Tessari, zuständiger Sachgebietsleiter der Stadt, vernetzt, die Umsetzung nicht viel mehr als Formsache. „Die Resonanz auf unsere Facebook-Seite beispielsweise war sehr positiv“, berichtet Blum. Ehrenamtliche Experten saßen alsbald im Projektboot, am 11.10. zeigt sich dann, ob sie ins Schwitzen kommen: „Wir sind sehr gespannt auf die Nachfrage“, so der Projektinitiator, der betont, dass das Café keine Konkurrenz zu bestehenden Institutionen darstellen soll. „Auch haben wir nicht den Anspruch, dass alles repariert werden kann. Für uns spielt vielmehr der Aspekt des Zusammenarbeitens eine Rolle“, so der Aschaffenburger.
Gegenstände wieder bewusster wahrzunehmen, sie wertzuschätzen: Repair Cafés gelingt es, Denkanstöße zu liefern. Und das weltweit: Im Oktober 2009 hob die Niederländerin Martine Postma in Amsterdam den Erstling aus der Taufe, mittlerweile gibt es 139 Ableger – allein in Deutschland. Auch in Taiwan, Brasilien und Schweden wird getüftelt, was das Zeug hält. Das Motto „Wegwerfen? Denkste!“ überzeugt rund um den Globus. Ehrenamtliche setzen sich begeistert dafür ein, Müllberge zu verkleinern und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Auch in Aschaffenburg sind noch Experten gefragt: „Polsterer oder Schreiner dürfen sich gerne bei uns melden“, so Blum. Doch auch Elektriker, Schneider oder Fahrradmechaniker dürfen ihr Können unter Beweis stellen und ganz nebenbei zeigen, dass Reparieren durchaus Spaß bereiten kann.
Sa., 11.10., 12–18 Uhr (Wartenummern werden verteilt); JUKUZ, Aschaffenburg & Runde zwei am Sa., 14.3.2015, 12–18 Uhr im Dammer Jugend- & Bewohnertreff B4
www.jukuz.de/repaircafe, www.facebook.com/repair.cafe.aschaffenburg