Foto: Michael Kaiser
BANDBESPRECHUNG 4|2013: MARKUS RILL
Americana. Was war das noch gleich? White-Trash-Kids mit Cowboyhut und ihren vor Fett triefenden T-Bone-Steaks? Und ist das nicht die Musik von älteren Männern im Süden der USA, die ewig ihre „good old times“ besingen? Ein Blick auf die Fotos des aus Frankfurt stammenden, und in Goldbach aufgewachsenen Singer/Songwriters Markus Rill bieten hingegen keine Angriffsfläche für diese altbackenen Klischees. Ist natürlich alles Bullshit. Viele Deutsche wünschen sich, dass „unsere“ Volks- und Blasmusik zumindest den Vibe und Coolness-Faktor wie die „typisch-amerikanische“ inne hat, welche sich aus urtypischer Roots-Music und traditionellem Country zusammensetzt. Und was hat das jetzt alles mit Mister Rill zu tun? Genre-Fans wissen längst, dass dieser zu den ganz Großen jener Musikrichtung gehört. Zumindest in Deutschland. Auch in den USA, dem hart umkämpften Markt der Szene, hat der talentierte Liedermacher renommierte Songschreiberwettbewerbe abgeräumt und sich einen beachtlichen Respekt unter Musikerkollegen erspielen können. Seit nunmehr 16 Jahren bereist Rill die Kontinente und gibt den charismatischen Storyteller. „My Rocket Ship“, sein achtes Album, ist soeben erschienen.
Was treibt ihn an, den Mann, der die Melancholie in seinem Herzen beheimatet? „Mein Ziel ist es, mit jedem Song, den ich schreibe, neues Terrain zu betreten – entweder sprachlich, musikalisch oder inhaltlich. Dieses Mal war der Prozess stark davon geprägt, dass ich seit knapp drei Jahren mit einer tollen Band, den Troublemakers, zusammenspiele. Das hat mich dazu inspiriert, musikalisch neue Wege zu gehen – mal in Richtung Soul, mal in Richtung Tom-Waits-artige, sperrige Soundgebilde, mal auf der Suche nach dem perfekten Poprock-Song. Und weil es das erste Album ist, das ich nach meinem 40. Geburtstag und als Vater einer Tochter geschrieben habe, fließen auch Themen wie Älterwerden und Glaube mit ein.“ Nachdenklich, besinnlich, stellenweise nostalgisch ist Rills Musik. Ein Beispiel, das andächtige Stück „The Late Great TvZ“, ein tiefer Kniefall vor Rills großem musikalischen Vorbild Townes van Zandt, dem 1997 verstorbenen texanischen Songschreiber. „Ich kann nur über Dinge schreiben, die mich sehr bewegen. Dazu zählen für mich Musik und die Schicksale großer Musiker. Ich hatte das Glück, Townes kurz vor seinem Tod kennenzulernen. Der Song beschreibt dieses Treffen und einige meiner persönlichen Gedanken zu ihm. Für mich steht er neben Bob Dylan sehr einsam auf dem Gipfel der Songwriting-Kunst.“ Nostalgikern, USA-Fans und Altersweisen, die Markus Rill bisher nicht auf dem Schirm hatten, sei der Einstieg mit „My Rocket Ship“ dringlichst empfohlen!