BANDBESPRECHUNG 11|2012: FITZCARRALDO
Aschaffenburgs Frickelmelancholiker hätten es so einfach haben können. In regelmäßigen Abständen mit raren Singles um die Ecke kommen, die Postrock-Stammkundschaft mit weiteren sphärischen Klangcollagen versorgen oder gleich ein zweites „Herbst“-Album einspielen, auf das ohnehin alle warten. Sie könnten Musik machen wie Schwangere dem Klischee nach mampfen: Alles zusammenklatschen, was nicht zusammengehört, dies unter „Kunstmusik“ verbuchen und sich freuen, dass es 47 Nerds da draußen gibt, die auf ebay Höchstpreise für limitierte Fehlpressungen zahlen.
Doch Fitzcarraldo wären keine Kritikerlieblinge, würden sie sich ständig wiederholen. Die seit 2006 existente Band erschafft Musik für Kopf und Herz. Ob atmosphärisch-angehaucht wie auf ihrem 2008er Debüt „Herbst“ oder abwechslungsreich-verspielt wie die „Lass Sein Was Ist“-Sessions von 2010. Anfang des Jahres haben sie ihren Relaunch angekündigt. Über das Jahr verteilt stilistisch-unterschiedliche EPs veröffentlicht. Am 17.11. erscheint nun das Minialbum „Fitz“ (Rezension auf Seite 26). Mit einer Überraschung: Fitzcarraldo sind ab sofort zu Fünft („Begrüßen sie bitte Matthias Pistner am Bass!“), während sich Daniel Stenger die dritte Stromgitarre umschnallt. Parallel kümmert er sich aber auch um die Laptop-Samples, die immer schon fester Bestandteil im Fitz-Kosmos sind. Erstmals zu hören gibt es auch Gesang. Das hatte man jetzt nicht unbedingt von einer Band erwartet, die seit fünf Platten rein instrumental zu Werke geht, und wenn überhaupt, Gitarrist Jan Maier sich mal seine vereinzelt-eingestreuten Schreieskapaden gönnt.
„Wir sind mit Fitzcarraldo nicht stilistisch festgelegt“, erklärt Stenger im Gespräch. „Wir wollten für die neue Veröffentlichung songorientierter arbeiten. Die neuen Stücke wirken klarer strukturiert, sind kompakter. Weg von ausufernder Musik, erstmals stand klassisches Songwriting im Vordergrund.“ Neben dem Traum von drei Gitarren für die nötige „Wall-of-Sound“, neigt man zu Elektronikspielereien. Das Gänsehaut bescherende „All The Things“ ebnet möglicherweise den Weg zu weiteren elektronischen Ausflügen. Stenger lacht. „Vielleicht werden wir härter, vielleicht detailverliebter, wir haben eingesehen, dass wir Musik hauptsächlich für uns schreiben wollen.“
Alles ist jederzeit und irgendwie möglich im Hause Fitzcarraldo. Solange das Quintett sein Gespür für interessante Artrock-Stücke nicht verliert, soll man sie forschen lassen. Ein Motto scheinen sich die Mitglieder allerdings allesamt unters Herz tätowiert zu haben: Stillstand ist der Tod.